Frühjahrsklassiker, letzter Teil aka Augenbluten im Weinviertel

Das letzte Wochenende des Radsporttreffs-Frühjahrsklassiker ist da. Mehrmals täglich rufe ich die Ergebnisliste auf und am Freitag am Abend wird klar:  Christian Braque hat mit seinen Kollegen von Joe Ballers Busreisen auf der Wienerwald-Etappe so vorgelegt, dass die Einzelwertung für Philip kaum mehr zu gewinnen ist. Wir rechnen mögliche Zielzeiten durch, aber Radfahren ist halt keine Excel-Tabelle.

Einer für alle, alle fürs Team

Auch in der Teamwertung ist noch nicht alles entschieden, vor dem letzten Wochenende liegen wir mit dem RC UNrad auf Platz 10, haben aber noch zwei Fahrten im Weinviertel ausständig. Ein Auszug aus den Chatprotokollen offenbart das Commitment passend zum Vereinsmotto „Relentless Performance“:

Die Wettervorhersage ist nicht optimal, aber es bleibt uns nichts anderes über als die letzten Punkte einzufahren. Im Laufe des Wochenendes schließen sich noch einige Fahrer an und schlussendlich bricht ein Dutzend (dreckig sollte das Dutzend erst später werden) von der gelben Brücke Richtung Hauptprostamt auf. Bei gutem Wetter und starkem Südostwind sind die ersten Kilometer nach Stammersdorf rasch absolviert. Ehe ich mich versehe, kurble ich als Letzter der Gruppe eine ansteigende Kopfsteinpflasterpassage hinauf – der Powermeter zeigt 350 Watt Plus. Das kann ja heiter werden heute.

Unterwegs gabeln wir noch weitere Fahrer auf, darunter auch Sebastian, für den es noch ums Podium in der Einzelwertung geht. Die Gespräche im Peloton drehen sich um den Giro, die Vorteile von Felgenbremsen und natürlich um die richtige Strategie für die einzelnen Segmente.

Segelstunde

Wenig später ist das erste Wertungssegment erreicht – überflüssige Flaschen etc. werden abgelegt und schon geht es mit 600 Watt in das Segment hinein. Die ersten Anfahrer scheren aus und ich schaue nur, dass ich das Hinterrad des Vordermannes irgendwie halten kann. Dann macht es „Klack“ – Kette runtergefallen. Ich fluche und versuche wieder in Tritt zu kommen, die Gruppe ist natürlich weg. Philipp kann den KOM einstellen und auch Seb ist gut dabei, das ist ein guter Start.

Mit Rückendwind segeln wir weiter durch ein ziemlich verlassenes Weinviertel und langsam ziehen auch mehr Wolken auf.  Das zweite Wertungssegment ist etwa 6 Minuten lang, wir fahren recht kompakt hinein, etwas aufgefächert durch den starken Seitenwind. Kurz bevor der Anstieg beginnt wird es etwas langsamer, ich fahre nach vorne und versuche Seb und Philipp gut in den Anstieg zu bringen, da kracht wieder die Kette – naja, für ein paar Sekunden hat es immerhin gereicht. Ich fahre mein Tempo weiter hoch, heute passen die Beine einfach nicht so.

Kurz vor dem dritten Wertungssegment dann der erste Defekt – doch eine Behebung muss noch ein bisschen warten, zuvor wird noch  Segment 3  absolviert: Es ist mit 7,3 Kilometer eines der längstem, nach einem Flachstück geht es auf den letzten 3 Kilometern bergauf. Rob und einige Mitfahrer, für die es um keine Punkte mehr geht, fahren voraus und im Anstieg noch Tempo zu fahren. Christoph und Thomas übernehmen das Flachstück und liefern uns perfekt am Fuße des Anstiegs ab ich nehme auch noch ein paar Meter im Wind und kämpfe mich dann den Hügel hoch, während die Spitze bereits auf der Kuppe ist. Mit Raphael und Markus komme ich oben an.

Der Defektteufel schläft nicht

Ein rascher Schlauchtausch und weiter geht’s zum Buschberg, meinem alten Bekannten von zahlreichen Pendelfahrten Wien-Brno oder Brno-Wien. Oben angekommen macht es einen Knall – Reifenplatzer bei Marcus. Die MacGyvers der Gruppe dichten den Reifen mit einer Gelverpackung ab und der Unglücksrabe kann so immerhin zum nächsten Bahnhof rollen.

Der Blick vom Buschberg Richtung Süden verheißt nichts Gutes und ordentlich kalt ist mir auch schon. Wenige Minuten später dann Defekt Nummer 3 – Durchschlag bei meinem Hinterreifen, der Reifenwechsel ist dann beinahe in Formel-1-Geschwindigkeit erledigt, danke an Christoph und Rob.

Belgisches Wetter zum Abschluss

Wenig später kommen auch schon die ersten Tropfen und nun spüren wir auch den starken Gegenwind. Ich staune nicht schlecht, als wir plötzlich wieder Marcus am Weg antreffen – die Reparatur des Reifens hält und so rollt er gemütlich nach Hause und noch ein Stückchen mit uns mit.

Zu Segment Nummer vier fällt mir nicht viel ein, da sind die Beine schon leer und im Gegenwind gehe ich oben raus komplett ein. Jetzt ist der Akku wirklich leer. Die letzten beiden Stunden fahren wir im Regen und Gegenwind zurück nach Wien, Spaß ist es jetzt keiner mehr und zum Augenbluten gesellt sich eine ordentliche Ganslhaut.

Nach insgesamt 170 Kilometern scheitere ich mit den klammen Fingern beinahe an der Wohnungstür, kann die  Pforte zur rettenden Dusche dann aber doch besiegen. Der Blick auf die Ergebnisliste zeigt, dass es sich in der Teamwertung wie erhofft für Platz eins ausgegangen ist, in der Einzelwertung hat es Philip auf Platz 2 und Seb auf Platz 3 geschafft (allerdings nach einer kleinen Extraschicht, aber das ist eine andere Geschichte)

Und ein paar Lehren aus der Etappe gibt es natürlich auch:

  • Regenjacke mitnehmen (auch ein Windstopper-Trikot ist irgendwann durchnässt)
  • Kette nicht vor so einer Ausfahrt tauschen
  • Reifen checken vor der Ausfahrt
  • Die eine Ausfahrt, wo es mit den Stecker zieht, findet zumeist im Weinviertel statt und ist für heuer hoffentlich erledigt

Am Ende des Frühjahrsklassiker möchte ich mich ganz besonders beim Organisationsteam bedanken, das eine richtig tolle Veranstaltung auf die Beine gestellt hat. Ihr habt viele von uns aus der Komfortzone geholt und  uns raus in neue Gegenden und auf neue Wegerl gebracht. Ein großer Dank gilt auch den  Kollegen im Team, es war mir eine Freude mit euch den Frühjahrsklassiker zu absolvieren.

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